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Ausgangslage

Das auf ebenem Schwemmland, nahe des Stadtzentrums gelegene Wettbewerbsareal ist geprägt vom Ensemble der unter Denkmalschutz stehenden Bauten der Primarschulanlage von Max Schlup in ihrem Kontext: Ein niedriger, langgezogener Klassentrakt mit Attika, angehoben über einem offenen Erdgeschoss im hinteren Bereich, davor ein kompaktes, im Grundriss nahezu quadratisches Turnhallengebäude bilden den Vordergrund des weiter hinter liegenden, hochaufragenden Wohnhochhauses Champagne: Eine städtebauliche Setzung, die heute noch ungebrochen vom spätmodernen Zeitgeist der 60-er Jahre kündet: Einzelne, nach Funktionen getrennte Bauten, die als Komposition autonomer und doch aufeinander bezogener Elemente in einer offenen Parklandschaft miteinander im Dialog stehen.

 

Städtebau

Das vorliegende Konzept folgt der Grunddisposition des städtebaulichen Leitprojektes ‚Cross‘ und sieht für die Erweiterung des Schulhauses Champagne einen langgestreckten, dreigeschossigen Baukörper entlang der Champagneallee vor: Alle schulischen Nutzungen werden in einem langgestreckten Volumen kompakt aneinander/übereinander organisiert. Die gestapelten Turnhallen bilden dabei als leicht erhöhter und verdickter Kopfbau einen klaren Abschluss des Riegels nach Nordosten aus. Diese Setzung ermöglicht die Stärkung des denkmalgeschützten Bestands, indem dieser „unverstellt“ und doch nicht bezugslos bleibt: Der neue langgestreckte Baukörper mit Kopf ergänzt auf selbstverständliche, lockere Weise die bestehende Komposition: zusammen mit der  „Leerstelle“ der Fussballfelder entsteht über die Gesamtanlage eine freiräumliche Grosszügigkeit, die den Geist der 60-iger Jahre weiteratmet. Gleichzeitig wirkt das neue Schulgebäude für die Anlage wie ein schützendes, haltgebendes Rückgrat und wird für die Champagneallee raumbildend.

 

Die schulexternen Nutzungen sind in einem eingeschossigen Pavillon untergebracht, der in der Verlängerung des Turnhallenkopfbaus zu den Fussballplätzen hin angeordnet ist. Seine Position ermöglicht einerseits eine optimale betriebliche Trennung zum Schulbetrieb und schafft gleichzeitig einen feinen Auftakt/ Abschluss der Schulanlage zu den nordöstlichen Wohnquartieren.   

 

Der zwischen Bestandesschulhaus  und -turnhalle aufgespannte Pausenplatz, der sich räumlich in der Fortsetzung des geplanten städtischen Platzes entlang der Falkenstrasse befindet, bleibt erhalten und wird in einen einseitig begrenzten Freiraum entlang des neuen Schulgebäudes überführt: Dieser ist geprägt vom Kontrast der offenen Weite der Sportanlagen im Norden und dem stark gegliederten Baukörper im Süden, welcher den langen Raum rhythmisiert/zoniert und in einen erfassbaren Massstab bringt.

 

Während das bestehende Schulhaus von Max Schlup über sein freies Erdgeschoss eine gewisse Luftigkeit erreicht, wird das neue Schulgebäude mittels rhythmisierter Vor- und Rücksprünge gegliedert und nahbar: Die sich mit dem Umraum verzahnende Abwicklung bringt das rund 125m lange Schulhausgebäude in einen für die Kinder begreifbaren Massstab, verweist auf die innere Struktur, die auf einzelnen Cluster- und Nutzungseinheiten aufgebaut ist. Die differenzierte skulpturale Gebäudeabwicklung verbindet Schul- und Turnhallentrakt zu einer selbstverständlichen Einheit, ist mehrfachlesbar und lässt eine Vielfalt an Perspektiveinstellungen zu. Die Idee der Zuweisung durch Gliederung wird im EG mit vorgelagerten Pausen-/Eingangsdächern verstärkt: Jeder Schuleinheit werden klare Eingänge mit Aufenthaltsqualität zugewiesen. Die Akzentuierung der Eingänge durch expressive Dächer auf konischen Stützen lässt das Schulhaus zudem weniger hoch erscheinen, macht es zugänglich, vermittelt und hilft den Kindern in der Orientierung.

 

Landschaft

Die gewählte Setzung ermöglicht eine geschützte, südausgerichtete Positionierung der Kindergarten-Aussenräume an EG-Lage und deren komplette Entflechtung vom Pausenplatz der Primarschüler. Das Dach des Schultraktes ist zudem als Dachgarten gestaltet, der zusätzlich zum Bereich im EG für die Kindergärten als Aussenraum genutzt werden kann - analog des Dachgartens auf dem bestehenden Schulgebäude.

 

Auf der Nordseite des neuen Volumens wird der bestehende Pausenplatz in einen neuen Pausenbereich übergeführt, der im Nordosten vom Turnhallenkopf und Sportpavillon begrenzt wird. In dieser Bewegungsachse wird im Schutze des neuen Schulhauses die gesamte Länge des Areals erfahrbar. Nördlich davon und in der Verlängerung des Schlup’schen Klassentraktes werden alle Sportflächen und der Fussballinfrastrukturpavillon mit Buvette angeordnet.

 

Die informelle, offene Parklandschaft aus der Schlup’schen Anlage wird mit der neuen Setzung in selbstverständlicher Weise weitergestrickt und dient als wichtiges Bindeglied zwischen alter und neuer Substanz, lässt sie als harmonische Einheit erfahrbar werden.

 

Raumkonzept, Organisation und Nutzung

Schulräume

Die innere Raumstruktur baut auf der Cluster-Idee auf: Ein Mittelkorridor mit beidseitig angeordneten Zimmerschichten weitet sich in der Mitte jedes Clusters so auf, dass jeder Einheit ein zentrierendes Moment eingeschrieben wird. Dies wird durch eine geschickt austarierte vor- und zurückspringende Volumetrie/Tragstruktur des Baukörpers möglich und prägt die innere Raumfigur – die einzelnen Einheiten werden ablesbar, gleichzeitig bleibt die gesamte Länge des Gebäudes aber erfahrbar. Jedes Cluster ist durch ein eigenes Treppenhaus erschlossen. Dadurch wird das Durchlaufen der Cluster durch ‚fremde‘ Kinder vermieden, der Zugang zu den verschiedenen Geschossen kann störungsfrei erfolgen.

 

Die Nutzungen werden im dreigeschossigen Schultrakt wie folgt verteilt: Im EG die befinden sich die  drei Cluster des ‚Cycle élémentaire‘ mit ihren entsprechenden Aussenräumen nach Süden. Im 1. OG sind die beiden Cluster des Zyklus 2, ein Cluster Spezialunterricht sowie die Lehrerarbeits- und -aufenthaltsbereiche angeordnet. Das 2. OG beinhaltet die übrigen Räume ‚Betrieb und Unterstützung‘ den letzten Cluster Spezialunterricht sowie die zentrale Verpflegung. Der nach Süden ausgerichtete Essbereich zeigt sich dabei als grosser, offener Raum, in welchem durch die gewählte Struktur eine Abtrennung in kleinere Einheiten optimal gewährleistet ist. Die Platzierung von Mensa, Musik- und Werkräumen im obersten Geschoss sorgt für eine Minimierung des akustischen Störungspotentials für die Unterrichtsräume in den unteren Geschossen.

 

Turnhallen

Die beiden Turnhallen werden gestapelt, die untere wird teilweise in den Boden eingetieft. Die Garderobenbereiche sind vom Schulhauskorridor von allen Geschossen aus direkt erreichbar. Im Erdgeschoss befindet sich die Eingangshalle, die sowohl von der Champagneallee, als auch vom Pausenplatz erreichbar ist. Von hier eröffnet sich der Blick in die untere Turnhalle. Der Turnhallentrakt verfügt über ein eigenes Treppenhaus mit Aufzug und kann ausserhalb der Unterrichtszeiten einfach vom Schultrakt abgekoppelt werden.

 

Pädagogisches Konzept - Cluster

Das vorliegende Projekt trägt der Forderung nach Flexibilität und Mehrfachnutzung von Räumen Rechnung: Das Grundmodul bildet der Cluster im 1. OG, der aus vier nutzungsneutralen, grossen Schulzimmer-Räumen mit vier dazwischenliegenden kleineren Gruppen-Räumen besteht, die ihrerseits zu zwei Klassenzimmern zusammengelegt werden können. Die Raumfigur des Korridors integriert die Garderoben und bietet durch ihre mittige Aufweitung ein zusätzlich für den Unterricht nutzbares Raumangebot. Alle Schulzimmer sind über die Diagonale zur Clustermitte öffenbar.

 

Im EG wird das Grundmodul so adaptiert, dass sich die Kindergartenhaupträume mit ihren dazwischenliegenden Gruppen- und Multifunktionsräumen auf der Südseite befinden, in direktem Sichtbezug zu ihrem Aussenraum. Von der Mitte des Clusters ist der Zugang von der Garderobe in ihren Aussenraum jeweils durch den Multifunktionsraum hindurch gewährleistet. Die Klassenräume der 1. und 2. Klasse mit ihren dazwischen gelegenen Gruppenräumender sind auf der Nordseite des Clusters angeordnet.

 

Tragwerk

Das Schulhaus besitzt ein robustes Betontragwerk in Skelettbauweise. Die tragenden Elemente liegen vom Dach bis zur Bodenplatte auf gleichen Achsen quer zur Gebäudeachse; das Prinzip des Tragwerks besteht aus Stützen und Unterzügen. Dies erlaubt es, die Lage einzelner Stützen geringfügig verspringen zu lassen: so sind die zwischen den Erkern der oberen Geschosse innenliegenden Stützen durch die Unterzüge über dem Erdgeschoss abgefangen und ihre Lasten werden problemlos auf die fassadenbündig angeordneten EG-Stützen weitergeleitet. Die übrigen vertikal tragenden Stützen oder - je nach Funktion - kurzen Wandscheiben sind zwar pro Achse individuell gesetzt, innerhalb einer vertikalen Ebene aber übereinanderliegend. Die Zimmertrennwände sind nichttragend ausgebildet und dadurch flexibel. Horizontal ausgesteift wird das Schulhaus durch Wandscheiben entlang der Steigzonen, Lifte und Nassräume. Zusammen mit den geschlossen ausgebildeten Fassadenpartien sind genügend stabilisierende Elemente vorhanden. Diese liegen über den unterkellerten Bereichen, sind daher im Untergeschoss eingespannt. Das Untergeschoss wirkt somit als steife Kiste, auch wenn sein Volumen dem Programm entsprechend minimiert wurde. Je nach lokalen Baugrundverhältnissen können unter den Tragelementen Mikropfähle eingebaut werden. Damit wird bei geringstem Aushub eine wirtschaftliche und technisch einwandfreie Fundierung sichergestellt.

 

Das Tragwerk des Turnhallentrakts folgt ähnlichen Prinzipien. Die beiden Hallen werden mit Betonträgern überspannt. Das System der Plattenbalken ist wegen seiner grossen Steifigkeit gegen personeninduzierte Schwingungen unempfindlich. Das Tragwerk der Turnhallen ist mit demjenigen des Schulhauses monolithisch verbunden. Damit werden die aussteifenden Elemente für beide Gebäudeteile mitbenutzt. In unmittelbarer Nähe des Turnhallentrakts befinden sich drei Wandscheiben (Stirnfassaden und querlaufender Fassadenteil neben Garderoben und Gerätelager) die für sich allein schon zur Aussteifung reichen würden.

 

Das Tragwerkskonzept ist für eine Ausführung mit weitgehend vorfabrizierten Betonelementen gut geeignet. Damit ist eine rasche Bauzeit mit qualitativ hochstehenden Bauteilen gewährleistet.

 

 

 

Primarschule Champagne

Wettbewerb 4.Preis

Biel 2019

 

Architekten:

Aita Flury, met Architektur GmbH

 

Ingenieure:

Conzett Bronzini Partner AG

 

Landschaftsarchitekten:

Kuhn Landschaftsarchitekten GmbH

 

Publikationen:

hochparterre Wettbewerbe 1, März 2020
Espazium 24. Januar 2020


MaxSchlup AitaFlury

Primarschule Champagne

Max Schlup 1962