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Ausgangslage
Die Gebäudetypologie der Militärkaserne ist durch ihr militärisches Programm geprägt. In den 3 Mitteltrakten sind die Grundrisse bestimmt durch den hofseitigen Korridor - eine einbündige Anlage, an welche sehr tiefe, wenig belichtete Zimmer aneinandergereiht sind.
 
Die in den 1980-er Jahren erfolgte Umnutzung zu Räumen für die Polizei hat sich mit dieser Typologie abgefunden, arrangiert - es wurden keine strukturellen Änderungen oder Anbauten vorgenommen. Das veränderte Programm, das kleinere Raumeinheiten benötigte, hat sich vielmehr provisorisch in den Bestand „eingenistet“. Diese Einbauten sind dementsprechend problemlos rückbaubar.
 
Das elementare Wesen der Militärkaserne hat sich über 150 Jahre nicht nur Innen sondern auch Aussen fast vollständig erhalten: Äusserlich verklammert sich der massige, U-förmige Baukörper mit der Leerstelle der Kasernenwiese in einer Art territorialen Geste zum Zeughaus hin. Auch mit dem Sihlraum verzahnt sich der Baukörper durch seine feine Gliederung von Mittel- und Seitenrisaliten. Trotzdem eignet der Militärkaserne - eine ursprünglich wohl bewusst gesuchte - Isoliertheit und Unnahbarkeit an. Dies hat einerseits mit dem heutigen Zustand sprich Flickwerk der Fassaden zu tun, andererseits hängt es mit der fehlenden Öffentlichkeit des Erdgeschosses zusammen.
 
Die Umnutzung der Kaserne zu Schulräumen mit einem öffentlichen Erdgeschoss eröffnet die Möglichkeit das Gebäude architektonisch neu zu denken, um dessen Möglichkeiten im Hinblick auf die neue Nutzung auszuloten. Der vorliegende Entwurf strebt danach das Wesen des Gebäudes, die elementaren räumlichen Qualitäten, herauszukristallisieren und in einem interpretierten Zustand neu zu etablieren. Nur so kann den neuen programmatischen Herausforderungen und heutigen Rahmenbedingungen adäquat begegnet werden, sodass das Haus an Aneignungsmöglichkeiten gewinnt. In der Stärkung der Eigenheiten, der charakteristischen Merkmale des Hauses und ihrer teilweise neuen Interpretation liegt das Potential der Militärkaserne.
 
Denkmalpflege: Permanenz & Metamorphosen
Der geforderten Mischung zwischen Respekt, Sensibilität und Mut trägt der vorliegende Vorschlag wie folgt Rechnung:
 
Almost nothing
1.   Die äussere Gestalt der Militärkaserne in ihrer horizontalen Abwicklung wird auf allen Geschossen belassen. Sie ist geprägt von ihrer ondulierenden Abwicklung mit Vor- und Rücksprüngen der Mittel- und Seitenrisalite. Charakteristisch ist auch die kontextuelle Ausprägung des Trakts V entlang der Militärstrasse, sowie dessen verkürzte Schenkellänge, die den Blick von der Militärstrasse ins Kasernenareal hineinführt. Für die Scharnierfunktion der Militärkaserne - bedingt durch ihre städtebauliche Position zwischen Sihlraum und Kasernenwiese -  und für das Ensemble insgesamt ist der Erhalt der horizontalen Abwicklung von grösster Wichtigkeit.
 
2.   Die dem Trakt V im Nordwesten vorgelagerte Terrasse ist in schlechtem baulichen Zustand. Sie wird rekonstruiert und in diesem Zuge um die Ecke erweitert und damit nutzbar. Referenzierend auf die bestehende Terrasse werden im Bereich von Trakt II und Trakt IV zur Kasernenwiese hin ebenfalls „Austritte“ angehängt. Diese werden zum Vermittlungsraum zwischen den Niveaus des Hochparterres und des Aussenraumes – gleichzeitig klären sie den Hofraum im Zusammenhang mit den ins UG führenden Rampen, die als Anlieferung erhalten werden.
 
3.   Die Befensterung wird - wenn immer möglich - beibehalten: die Fensterscheiben werden ersetzt und neu gedichtet. Ein Sonnenschutz wird unsichtbar hinter den Sandsteingewänden integriert. Das Gebäude wird innen gedämmt, sodass das Relief der Sandsteingewände relativ zur Fassadenebene bestehen bleibt. Die Restaurierung/Sanierung der Natursteinfassadenelementen aus Berner Sandstein wird in Absprache mit der Denkmalpflege vorgenommen. Es gilt dabei das richtige Mass zwischen Reinigen, Reprofilierung und partiellem Ersatz der Steine zu finden.
 
4.   Der Durchgang durch die Militärkaserne wird ebenfalls in seinem heutigen Zustand belassen: Er zeugt davon, dass dieser Bereich als innere Eingangshalle konzipiert ist.
 
5.   Das Untergeschoss mit seinen Gewölben wird ganzheitlich erhalten. Das Dämmkonzept ist so ausgelegt, dass die Decke im UG ungedämmt bleibt.
 
6.   Die Treppenhäuser werden in ihrer originalen Gestalt erhalten. Die Tragstruktur der Trakte I, III und IV wird vollständig erhalten (Ausnahmen Trakt III 2.OG/4.OG/5.OG, Trakt I/III 4.OG).  Das formgebende Dachtragwerk (Strebenbock) in den Trakten II und IV wird ebenfalls erhalten. 
 
Almost everything
1.   Die in ihrer Geometrie schwierig nutzbaren Dachgeschosse der Trakte I und V werden durch neue Flachdachaufbauten ersetzt. Sie nehmen Bezug auf den ursprünglichen Entwurf der Militärkaserne von Johann Caspar Wolf, welcher seinerseits von wienerischen Vorbildern des Theophil Hansen inspiriert war: Die Risalite der Seitentrakte werden damit gestärkt, der Mittelrisalit steht immer noch im Fokus, wird aber durch die mächtigeren Seitentrakte optisch ausbalanciert. Die neuen Aufbauten strahlen in den Aussenraum aus und künden von der neuen Nutzung. Ihre Befensterung ist auf heutige Bedürfnisse ausgelegt, interpretiert aber gleichzeitig architektonische Elemente sowohl der Militär- als auch der Polizeikaserne. Durch den bereits heute als Flachdach ausgeführten Mittelrisalit entsteht eine selbstverständlich wirkende Dachlandschaft, die in logischer Weise aus Flach- und Schrägdächern zusammengesetzt ist. 
 
2.   Gemäss Wettbewerbsausschreibung bietet sich die Umnutzung der Militärkaserne zu einem Schulgebäude aufgrund der hohen typologischen Verwandtschaft des bestehenden Gebäudes zu Schulbauten der gleichen Epoche an. Damit diese Aussage „wahr“ wird schlägt der Entwurf für die Trakte II und IV einen strukturellen Eingriff vor, welcher es ermöglicht aus der einbündigen Anlage in den Obergeschossen eine zweibündige Anlage zu etablieren: Es wird ein Mittelkorridor eingeführt, dessen Raumfigur sich auf selbstverständliche Art und Weise mit den Mittelkorridoren von Trakt I und V verbindet. Durch die Aufweitungen und Verengungen des mittleren Bewegungs- und Aufenthaltraumes bleibt die Grundstruktur - die einzelnen Trakte - weiterhin gut erfahrbar. Das neue Tragwerk besteht aus flachen Betondecken, die auf Unterzügen aufliegen. Letztere sind an den Aussenwänden auf inneren, neuen Lisenen und einer Mittelstütze aufgelagert, binden sich typologisch in den Bestand (Skelettbau mit Unterzügen) optimal ein.
 
3.   Die Nasszellen werden neu als Gelenk zwischen Trakt I/II und Trakt IV/V platziert, sodass ihre heutige prominente Lage im Trakt III zur Kasernenwiese hin für publikumsorientierte Nutzungen frei wird. Insgesamt verschieben die Massnahmen „neuer Mittelkorridor“ und „Verlagerung der Nasszellen“ die Nordwestfassade von einer Hinterhoffassade zu einer Hauptfassade zum Parkraum hin.
 
Neue Schulräume
Der oben beschriebene Schachzug des neuen Mittelkorridors in den Obergeschossen bringt für beide Schule optimal nutzbare Unterrichtsräumlichkeiten mit idealen Raumproportionen.  Die neue Struktur in den Trakten II und IV ermöglicht ein Raumangebot, das flexibel unterteilbar ist sowie Räume, die grosszügig öffenbar und miteinander verschaltbar sind. In diesem strukturell neuen Bereich entstehen total 28 optimale Unterrichtsräume, die auf heutige Bedürfnisse ausgelegt sind. Die Haustechnik wird so geführt, dass weder im Korridor noch in den Unterrichtsräumen abgehängte Decken notwendig sind. Es werden damit luftige Raumhöhen zwischen 3.8m-3.9m möglich. Durch die gewählte Struktur können zudem bei späteren Bedürfnisänderungen die Raumeinteilungen problemlos angepasst werden. Die Trakte II und IV ermöglichen damit maximale Flexibilität.
 
Trakt I und V, die ebenfalls Unterrichtsräume beinhalten, sind unter Berücksichtigung der bestehenden Tragstruktur ebenfalls auf Unterrichtsproportionen hin gelayoutet: Alle Unterrichtsräume sind gut belichtet und mit den geforderten Einbauten ausgestattet. 
 
Die KME belegt das ganze 1.OG/2.OG sowie den Trakt I des 3.OG/4.OG. Im 4. OG - im neuen Flachdachaufbau - befinden sich Spezialnutzungen wie die Räume für Bildnerisches Gestalten und für Musik, die von der Aussicht und der feudalen Raumhöhe profitieren. Die Naturwissenschaften sowie die Lehrervorbereitung sind im Trakt I zusammengefasst.
 
Die EB ist im 3.OG/4.OG untergebracht. Während das 3.OG mit Ausnahme des Trakts I komplett von der EB belegt wird, reduziert sich deren Belegung des 4.OGs auf die Trakte II und IV: in diesen Schrägdachbereichen sind kleinere Kurs- und Gruppenräume untergebracht, die über neue Gauben belichtet werden.
 
Im Trakt III sind die Verwaltungen der beiden Schulen, sowie Räume mit publikumsorientierter Nutzung (Vorlesung/kleinere Working Spaces, Selbstverpflegungsbereiche) und zuoberst die 2-geschossige Mediothek untergebracht. Diese hat zudem direkten Zugang auf die neue Terrasse mit Pergola im 5.OG.
 
Die neue Aufstockung auf dem Trakt V bietet Raum für zwei luftige Working Spaces, hoch über den Dächern. Die neuen Stützen, die auf der Geometrie des Bestandes aufbauen, zonieren die beiden Räume in mehrere Bereiche, die flexibel nutzbar und unterteilbar sind. Die Raumatmosphäre ist - wie in den Räumen für Bildnerisches Gestalten und Musik der KME im 4.OG Trakt I - geprägt von den Betonrippendecken, die auf kräftigen Unterzügen aufliegen. Die neuen runden Stützen werden mit ausdrucksstarken Kapitellen versehen, die auf den Bestand referenzieren.
 
Neue Öffentlichkeit im EG
Gastro
Die neuen Gastronutzungen werden im Trakt V im EG angeordnet. Durch die erweiterte Rekonstruktion der bestehenden Terrasse entsteht à niveau ein schöner, gefasster Aussenraum für Gastronutzung (112 Personen). Weitere Gastroaussenplätze befinden sich im Hof (Gartenbeiz 100 Personen). Ein identischer Bereich wird dem Trakt II vorgelagert und ist dem Aussenaufenthalt für die Schüler, ohne Konsumationszwang, vorbehalten.
 
Die Kücheninfrastruktur der Gastronutzungen ist im EG und im 1.UG verteilt. Beide Bereiche sind direkt mit einer Anlieferung erschlossen (Rampe, bzw. von der Militärstrasse her für das EG). Durch die Erweiterung des UGs im Bereich der neuen Terrasse wird zudem zusätzlicher Raum zur Gewährleistung einer funktionierenden Gastroinfrastruktur etabliert.
 
Andere Nutzungen
Der multifunktionale Saal und das Foyer sind im Trakt IV in der Nähe der Gastronutzungen angeordnet. Damit ist ein Catering des Saales einfach gewährleistet. Alle anderen flexiblen und hochfrequentierten Nutzungen sind in den Trakten I-III untergebracht. Die nordwestliche Loggia wird durch eine neue Befensterung zum Innenraum transformiert und bietet so weitere 120m2 Platz für flexible Nutzungen. Das Layout zeigt zudem unterschiedliche mögliche Unterteilungen der einzelnen Bereiche.
 
Fassaden und Ausdruck
Die an sich sehr schön proportionierte und in klassischer Weise gegliederte Militärkaserne wird durch verschiedene Massnahmen aufgefrischt und in einen „freundlichen“ Ausdruck geshiftet: 
 
1.   Die neuen Dachaufbauten auf den Trakten I und V sind in den vorgefundenen Materialien Sandstein und Klinker (Polizeikaserne) gestaltet. Braun eingefärbte Betonlisenen vermitteln zudem optisch zur neuen Kufperhaut auf den beiden Schrägdachtrakten II und IV.  
 
2.   Die Befensterung wird so weit möglich erhalten und mit im Sturz verborgenen Stoffrolladen verschattet. Die Fenster werden in einem warmen Sienarot gestrichen – die Farbe vermittelt einerseits ebenfalls zwischen den Klinkern der Polizeikaserne, andererseits verhilft sie dem gesamten Volumen zu einer wärmeren Stimmung. Die Putzfelder werden in einem hellen, freundlichen crèmeweiss gehalten. Die Restaurierung/Sanierung der Natursteinfassadenelemente aus Berner Sandstein wird in Absprache mit der Denkmalpflege vorgenommen. Es gilt dabei das richtige Mass zwischen Reinigung, Reprofilierung und partiellem Ersatz der Steine zu finden.
 
Aussenraum
Die Umnutzung des Kasernenareals und die vollumfängliche Öffnung der Kasernenwiese bieten eine einmalige städtebauliche Chance. Die Betrachtung erfolgt deshalb auch auf einer den Wettbewerbsperimeter hinausreichenden Ebene.
 
Die neu/alte Kasernenwiese orientiert sich in ihrer Klarheit am ursprünglichen Exerzierplatz und erinnert an die ehemals militärische Nutzung. Die geknickte Achs- und Platzfigur wird als Raumabfolge neu definiert. Städtebaulichen Grundsätzen des 19. Jh. folgend werden grosszügige Park-, Promenaden- und Platzräume mit eigenständigem Duktus gebildet. Die einzelnen Räume bedienen unterschiedliche Anforderungen und differenzieren sich in der Wahrnehmung und im funktionalen Querschnitt. Eine Sequenz von Freiräumen schafft im Zusammenspiel mit den bestehenden Baumreihen eine grosse Raumfigur und generiert einen Parkraum mit spezifischen Eigenschaften. Die neue Aufenthaltsqualität beruht u. a. auf einer grosszügigen Bepflanzung mit Bäumen, die Schatten spenden und die Nachtauskühlung gewährleisten. Das Kasernenareal wird so ganzjährlich und zu allen Tageszeiten zum Aufenthaltsort für das Kollektiv.
 
Die einzelnen Teilbereiche werden nicht rigide korsettiert sondern situativ entwickelt. Die Spuren der Vergangenheit werden dabei unter denkmalpflegerischen aber auch sozialen und ökonomischen Aspekten transformiert, zeitgemäss interpretiert: Die bestehende Kastanienbaumfassung wird punktuell ergänzt und westlich der Polizeikaserne mit einem Baumboskett ergänzt, das die Parkierung aufnimmt. Innerhalb des Baumkörpers können kleine Pavillons mit Infrastrukturnutzung integriert werden. Diese können sowohl im Bezug zur Wiese als auch zu den Strassenräumen funktionieren.
 
Die umlaufenden baumbestandenen Promenaden- und Platzflächen sind chaussiert und definieren die neue Kasernenmitte. Vereinzelte Baumgruppen werden szenisch vor die repräsentativen Zeughaus- und Militärkaserneportalfassaden eingefügt und steigern diese optisch. Die Wiese wird wie bisher als offene, multifunktional bespielbare Allmend für Feste, Spiel und Sport genutzt.
 
Der in direkter Adhäsion zur Kaserne stehende Platzbelag, der als Bewegungsfläche dient, wird gepflästert. Diese Materialisierung erinnert in ihrer Robustheit an die ehemals militärische Nutzung und verweist auf die heute teilweise noch vorhandenen Pflastersteine im Zeughaushof. Im Militärkasernenhof zur Wiese hin werden zwei baumbestandene Felder mit einer feinen Chaussierung eingeschrieben. Diese zeichnen die Aufenthaltsbereiche der Militärkaserne aus und bieten Platz für Restauration.
 
Die historischen Einfriedungen werden als wichtiges Element beibehalten und nur punktuell an sinnfälligen Schnittstellen in die angrenzenden Quartiere mit zusätzlichen Öffnungen versehen. An der Militärstrasse markiert und belegt ein Kiosk-/Teehaus den Zugang zum Park. Es fungiert als Pförtnerbaute und referenziert auf den verschwundenen Schuppen an dieser Stelle. Entlang der Kasernenstrasse werden die Fassaden von Lindenbäumen begleitet und bebildern die Stadtsilhouette zur Sihl neu.
 
 
 
 

Umnutzung Militärkaserne Zürich

Wettbewerb

Zürich 2019

 

Architekten:

Aita Flury, Roger Boltshauser

 

Ingenieure:

Conzett Bronzini Partner AG

 

Landschaftsarchitekten:

Maurus Schifferli Landschaftsarchitekt

 

Publikation:

hochparterre wettbewerbe 2,

Mai 2020


JohannCasparWolff AitaFlury

Entwurf für die Militärkaserne Zürich

Johann Caspar Wolff, Mitte 19.Jh.